Kinästhetische Mobilisation

Kinästhetische Mobilisation in der Pflege

Einen Pflegebedürftigen im Bett bewegen, ihn auf die Bettkante setzen, vom Bett in einen Stuhl transportieren – diese Schritte sind für pflegende Angehörige oft schwer und nur mit großem Kraftaufwand zu bewältigen. Die kinästhetische Mobilisation in der Pflege kann hier Abhilfe schaffen. Sie zeigt Möglichkeiten auf, mit denen die Bewegungsabläufe für Patienten und Pflegende leichter und schonender werden. Dem Patienten wird dabei Sicherheit vermittelt und seine Eigenständigkeit gestärkt. Die Pflegeperson dagegen profitiert von der körperlichen Entlastung und beugt so eigenen Erkrankungen vor.

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Kinästhetische Mobilisation ist immer individuell

Die kinästhetische Mobilisation in der Pflege folgt keinem starren, allgemeingültigen Muster, sondern stellt eher eine spezielle Herangehensweise dar, bei der die individuelle Situation des Patienten immer berücksichtigt wird. Bei allen angewendeten Methoden sollten Sie als Pflegeperson sich zuerst die Frage stellen, inwieweit die sechs kinästhetischen Faktoren aktuell auf Ihren pflegebedürftigen Angehörigen zutreffen. Erst dann können Sie beurteilen bei welcher Bewegung, Sie zusammen mit Ihrem Angehörigen welche Schritte der Mobilisation umsetzen können. Die folgenden Anleitungen sollen daher keine starre To-Do-Liste sein, sondern lediglich Anregungen geben, wie eine für Patienten und Pflegende angenehme Form der Mobilisation aussehen kann. Wenn Sie selbst noch ungeübt sind, lassen Sie sich am besten zunächst von einem Experten vor Ort beraten oder besuchen einen Pflegekurs, in dem Sie verschiedene kinästhetische Methoden in der Praxis kennenlernen können.

Anleitungen für die kinästhetische Mobilisation in der Pflege

Ob zur Dekubitus-Propyhlaxe oder wegen unbequemer Lage – wenn sich der Patient nicht mehr alleine im Bett bewegen kann, um z. B. vom Fuß- ans Kopfende zu gelangen, müssen pflegende Angehörige unterstützend eingreifen.

Anleitung: Patienten von unten nach oben bewegen

Voraussetzungen:
Der Patient kann
  • seinen Oberkörper selbst nach oben schieben
  • im Bett eine Brücke bilden
So geht’s:
  1. Winkeln Sie die Beine des Patienten an und legen Sie eine Anti-Rutsch-Matte unter seinen Fuß, um ein Abrutschen des Beins zu verhindern.
  2. Stellen Sie das Bett – wenn möglich – auf eine bequeme Arbeitshöhe.
  3. Drücken Sie die Füße des Patienten nach unten auf die Matratze. So werden die Beine stabilisiert.
  4. Bitten Sie den Patienten nun, sein Becken anzuheben und seinen Oberkörper Richtung Kopfende zu schieben.

Die Mobilisation auf die Bettkante ist die Voraussetzung für weitere Transfers in den Stuhl oder Rollstuhl und bildet bei mobileren Patienten den ersten Schritt vom Liegen ins sichere Stehen.

Anleitung: Mobilisation auf die Bettkante

Voraussetzung:

  • Ihr Angehöriger benötigt viel Hilfe beim Setzen auf die Bettkante

So geht’s:

  1. Erklären Sie Ihrem Angehörigen, was Sie vorhaben.
  2. Sorgen Sie dafür, dass das Bett frei zugänglich ist. Legen Sie Sonden/Katheter aus dem Weg und entfernen Sie ggf. auf dem Boden liegende Kissen und Kabel.
  3. Stellen Sie das Bett etwa hüfthoch ein. Stellen Sie das Kopfteil herunter.
  4. Entfernen Sie Decken und Lagerungskissen aus dem Bett. Das Kopfkissen kann im Bett bleiben.
  5. Ziehen Sie Ihrem Angehörigen bereits jetzt Schuhe/Pantoffeln an – so hat er nach dem Aufstehen sofort einen festen Stand.
  6. Gehen Sie nun auf die Seite des Bettes, auf der das spätere Aufstehen NICHT erfolgen soll.
    Gehen Sie dort etwas in die Knie, schieben Sie Ihre Hände unter das Becken Ihres Angehörigen und ziehen ihn auf Ihren Unterarmen zu sich heran.
    Holen Sie dann Oberkörper und Unterschenkel Ihres Angehörigen zu sich heran.
  7. Gehen Sie wieder auf die andere Seite des Bettes.
    Bitten Sie Ihren Angehörigen, in Ihre Richtung zu schauen.
    Legen Sie den Ihnen zugewandten Arm Ihres Angehörigen in einem 90°-Winkel zum Körper.
    Fassen Sie das entfernt von Ihnen liegende Bein an Wade und Fuß und stellen Sie es auf. 
    Führen Sie die entfernt von Ihnen liegende Hand Ihres Angehörigen in Richtung Ihrer Bettkante.
    Fassen Sie Schulter und Becken Ihres Angehörigen auf der entfernt von Ihnen liegenden Seite und drehen Sie Ihren Angehörigen zu sich auf die Seite. Gehen Sie dabei in die Knie und unterstützen Sie ggf. den Unterschenkel mit dem Oberarm.
  8. Winkeln Sie die Beine Ihres Angehörigen an und führen sie dann über die Bettkante. 
  9. Greifen Sie an das untere Schulterblatt Ihres Angehörigen und legen Sie die andere Hand auf die Hüfte. Setzen Sie Ihren Angehörigen auf. Gehen Sie dazu in die Knie und üben Sie mit der einen Hand Druck auf die Hüfte aus.
  10. Stellen Sie das Bett herunter, bis Ihr Angehöriger mit beiden Füßen auf dem Boden stehen kann. Fragen Sie vor dem Aufstehen nach eventuellen Kreislaufproblemen.

Der Transfer vom Bett auf den Stuhl ist für Ihren Angehörigen ein wichtiger Schritt in Richtung Mobilität. Er kann als Zwischenstation vom Liegen ins Stehen unternommen werden oder hilft Rollstuhlfahrern in ihr Fortbewegungsmittel. Wenn Sie die kinästhetische Mobilisation in der Pflege anwenden, kann der Transfer vom Bett zum Stuhl wie folgt aussehen.

Anleitung: Mobilisation von der Bettkante auf den Stuhl

Voraussetzungen:

Ihr Angehöriger

  • kann nicht mehr alleine stehen
  • ist in der Lage, an der Bettkante zu sitzen

So geht’s:

  1. Erklären Sie Ihrem Angehörigen, was Sie vorhaben.
  2. Setzen Sie sich neben Ihren Angehörigen auf das Bett. Achten Sie darauf, dass Ihre Füße, Knie und Becken Kontakt zu denen Ihres Angehörigen haben.  Der Stuhl oder Rollstuhl steht parallel zum Bett, die Sitzfläche zeigt auf Ihren Angehörigen.
  3. Umfassen Sie nun Ihren Angehörigen mit dem zum Stuhl zeigenden Arm. Ihre Hand liegt mit leichtem Druck auf der hinteren Seite des Beckens Ihres Angehörigen.
  4. Mit der anderen Hand legen Sie nacheinander beide Beine Ihres Angehörigen über Ihren eigenen, Ihrem Angehörigen zunächst liegenden Oberschenkel.
  5. Den von Ihnen abgewandten Arm Ihre Angehörigen legen Sie in seinen Schoß.
  6. Ziehen Sie nun den Stuhl so nah heran, dass die Sitzfläche Ihr Bein berührt (auf der Seite, auf der Ihr Angehöriger halb auf Ihnen sitzt).
  7. Nun drehen Sie sich leicht in Richtung Stuhl und lassen Ihren Angehörigen über Ihr Bein auf den Stuhl gleiten. Winkeln Sie Ihr Bein dazu an und machen Sie eine langsame, gemeinsame Drehbewegung, bis Ihr Angehöriger auf dem Stuhl sitzt.
  8. Kontrollieren Sie abschließend die Sitzposition und – falls erforderlich – korrigieren Sie diese.

Wenn mit zunehmendem Alter der Gang unsicherer wird, spielen natürlich Hilfsmittel wie Gehstöcke, Krücken oder Rollatoren eine zunehmende Rolle. Aber auch Sie können Ihrem Angehörigen Sicherheit beim Gehen vermitteln.

Anleitung: Gemeinsam gehen

Voraussetzung:
  • Ihr Angehöriger ist orientiert und kann seine Wünsche äußern
So geht’s:
  1. Sprechen Sie mit Ihrem Angehörigen ab, in welche Richtung es gehen soll.
  2. Stellen Sie sich seitlich zu Ihrem Angehörigen und fassen Sie mit einer Hand seine Hand, mit der anderen seinen Unterarm.
  3. Lassen Sie Ihren Angehörigen die Schrittgeschwindigkeit vorgeben.

Genauso wichtig wie der Transfer vom Bett in den Stuhl oder Rollstuhl ist im täglichen Leben auch der Weg zurück – vom Rollstuhl ins Bett. Auch dafür gibt die kinästhetische Mobilisation in der Pflege hilfreiche Anregungen.

Anleitung: Transfer vom Rollstuhl ins Bett

Voraussetzung:

  • Ihr Angehöriger hat noch etwas Kraft in den Beinen und kann die Bewegung unterstützen

So geht’s:

  1. Stellen Sie den Rollstuhl auf Höhe des Kopfkissens nah ans Bett.
  2. Bitten Sie Ihren Angehörigen, seine Füße auf den Boden zu stellen. Helfen Sie ihm ggf. dabei.
  3. Stellen Sie sich nun in Schrittposition vor Ihren Angehörigen und bitten Sie ihn, seine Arme um Ihre Schultern zu legen.
  4. Gehen Sie in die Knie und richten Sie sich gemeinsam mit Ihrem Angehörigen auf. Beziehen Sie die Kraft zum Aufstehen dabei aus Ihren Beinen, nicht aus dem Rücken.
  5. Drehen Sie sich zusammen mit Ihrem Angehörigen nun Richtung Bett und setzen Sie ihn auf die Bettkante.die

FAQ

Mobilisation heißt erst einmal einfach "Mobil machen". In Bezug auf die Pflege bedeutet es konkreter: Jemandem bei seinen Bewegungen helfen. Ein Bettlägeriger kann beispielsweise Hilfe benötigen, wenn er sich von einer Seite auf die andere drehen möchte. Wer noch fitter ist, benötigt vielleicht Unterstützung beim Gehen oder beim Aufstehen aus dem Bett.

 

Die Kinästhetik beschäftigt sich mit der Wahrnehmung und Erfahrung der eigenen Bewegung. In der Pflege ermöglicht sie es Patienten und Pflegepersonen, ihre Bewegungsabläufe zu optimieren und kräftesparend einzusetzen. Mehr lesen...