Angehörige

Pflege durch AngehörigeDie Pflege von Angehörigen ist eine körperliche und seelische Herausforderung, wie Betroffene nach Monaten oder Jahren der Pflege bestens wissen. Bislang wurde wissenschaftlich wenig untersucht, welche Folgen die Pflege für den Ehe- oder Lebenspartner hat, der sich häufig selbst in höherem Alter befindet und über eine geringe Fitness verfügt. Eine aktuelle Studie der University of Michigan nimmt sich dem Thema an und zeigt, wie weitreichend die Folgen für die betreuenden Ehepartner sind.

Überforderung und Überarbeitung keine Seltenheit

Im Rahmen der Studie, die im Sommer 2017 durch das Journal of the American Geriatrics Society veröffentlicht wurde, nahmen Wissenschaftler 3.000 Menschen ab 65 Jahren unter die Lupe. Für die Teilnahme an der Studie war eine Pflege durch den Ehe- oder Lebenspartner notwendig, der bei allen alltäglichen Aufgaben wie Körperpflege, Nahrungsaufnahme oder Anziehen weiterhalf. Die Studie konzentrierte sich weniger auf den Zustand der Pflegebedürftigen, die auch im Rahmen von Notaufnahmen bzw. den anfallenden Krankenhauskosten erfasst wurden. Stärker stand der pflegende Partner mit seiner gesundheitlichen Entwicklung im Fokus der wissenschaftlichen Untersuchung.

Neben der Erfassung des gesundheitlichen Gesamtzustandes wurden in der Untersuchung Schwerpunkte auf einzelne Symptome wie Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen gesetzt. Die Studie zeigt, dass Pflegebedürftige von einem gesundheitlich angeschlagenen Partner fast 25 % häufiger in der Notaufnahme landeten als bei einem fitten und gesunden Partner. Auch die Kosten zur Behandlung des Pflegebedürftigen lagen in diesen Fällen höher als bei fitten Pflegepartnern, im Durchschnitt um knapp 2.000 US-Dollar.

Etwas provokant wurde im Rahmen der Studie formuliert, dass in der Notaufnahme manchmal nicht erkennbar ist, wer der Pflegebedürftige und wer der Angehörige ist. Gerade bei einer langfristigen Versorgung lässt sich die Erschöpfung und Ermüdung des Pflegenden kaum verhindern, auch die generelle Lebensqualität des alternden Partnern sinkt im Rahmen der Pflege erheblich.

In Deutschland vergleichbare Zustände vermutbar

Die für das Gesundheitssystem in den USA interessante Studie kann in ihrer Grundaussage auch auf Deutschland bezogen werden. Knapp drei Millionen Menschen hierzulande sind auf eine tägliche Pflege angewiesen. Da die Kosten für einen ambulanten Pflegedienst oder die Unterbringung in einem Heim trotz gesetzlicher Pflegeversicherung die eigenen Möglichkeiten übersteigen, bleibt alleine die heimische Versorgung durch Angehörige. Schätzungsweise die Hälfte aller Pflegebedürftigen in Deutschland wird auf diese Weise betreut.

Dass die Gesundheit und Lebensqualität von Pflegenden auf Dauer beeinträchtigt wird, liegt auch ohne konkrete Auswertung wissenschaftlicher Studien auf der Hand. Das Problem wird umso eklatanter, wenn keine professionelle Einweisung in die Pflegetätigkeiten gegeben ist, so dass der Pflegende schlichtweg überfordert ist. Nicht zu unterschätzen ist, dass der pflegende Ehepartner oft betagt ist und selbst unter den Anforderungen des Alltags leistet. Parallel hierzu für einen geliebten Menschen stark sein zu müssen, wird auf Dauer zu einer erheblichen Strapaze.

Für Deutschland bleibt zu vermuten, dass sich die Kosten im Gesundheitssystem schleichend durch die genannte Pflegesituation erhöhen. Zum einen werden Kosten für die pflegenden Partner anfallen, deren Zustand sich aufgrund des täglichen Drucks verschlechtern. Auch die Pflegebedürftigen selbst werden von einem körperlich angeschlagenen Angehörigen nicht mehr optimal versorgt, so dass sie selbst langfristig für steigende Kosten bei der Betreuung sorgen.

Zukünftig stärkeren Fokus auf Angehörige legen

Ob in Deutschland oder in den USA – die Untersuchung der Rahmenbedingungen einer häuslichen Pflege steckt noch in den Kinderschuhen. Auch wenn die dauerhafte Beauftragung eines professionellen Pflegedienstes aus Kostengründen nicht möglich ist, sollte eine professionelle Anleitung für alle Angehörigen unverzichtbar sein.

Rund um das Thema Pflege gibt es bundesweit Beratungsstellen, auch der einmalige Kontakt mit einem Pflegedienst hilft bei der Beantwortung elementarer Fragen. Gerade für ältere Angehörige ist es wichtig, sich nicht permanent alleine mit der eigenen Situation zu fühlen. Wer seine Kräfte realistisch einschätzt und eine Überforderung erkennt, sollte nicht aus falscher Scham eine Hilfe ablehnen.